prey

er drückte mir ein gewehr in die hand. rauchschwaden bedeckten die zerklüfteten grade, auf denen sich einst üppige laubwälder befunden hatten. wir kauerten uns an die felsen, um die lage zu besprechen. die luft lag schwül und drückend über unseren stimmen, über den sätzen, die wir mühsam und schweißdurchdränkt in unsere angsterfüllten gesichter flüsterten. ich hatte noch nie auf menschen geschossen. würde es heute das erste mal sein?

vor dem einsatz stärkten sich die jäger. sie nahmen riesige brocken rohen fleisches aus ihren proviantsäcken, eingewickelt in jutestoff, blutdurchtränkt. rob drückte mir ein stück davon in die hand. ich fühlte die feuchte, muskulöse konsistenz, betrachtete das purpurne rot und die sanften linien der fasern. mein hals schnürte sich zusammen, mein mund blieb verschlossen.
rob hielt mir eine pistole an die schläfe. „du musst essen! du kannst nicht hungrig auf die jagd ziehen! glaub mir mädchen, ich schieß dir eine kugel durch den kopf wenn du nichts isst.“ langsam setzte ich den rohen fleischklumpen an meine lippen. meine zunge schmeckte das blut, das kalte leblose gewebe, zäh kämpften sich meine zähne und kauwerkzeuge durch das fleisch. mir wurde übel. die konsitenz des fleischbreis in meinem mund wurde immer klobiger und mein hals wollte sich vom würgen nicht zum schlucken öffnen. langsam schließlich, ronn das zerkaute meine speiseröhre hinab. bald würde ich mich übergeben. rob nahm die waffe von meinem kopf und lehnte sich hämisch grinsend zurück.

in der alten stadt verstecken wir uns in den ruinen verlassener einkaufszentren und kinos. die geisterhaften überbleibsel ehemaliger konsumtempel boten uns genug deckung, um uns auf den angriff der herden vorzubereiten. zunächst hörten wir nichts als unseren eigenen atem, der langsam und zischend in gespannter erwartung immer wieder innehielt. nach ungefähr einer stunde, doch ich hatte mein zeitgefühl bereits verloren, hörten wir es: lautes tosen und donnern in der ferne, das langsam aber unwiderbringlich immer lauter wurde und auf uns zurollte, wie eine flutwelle aus lärm.

sie hatten die alten kriegsmaschinen für ihre zwecke umgebaut. große, ächzende computerfahrzeuge, gesteuert mit einer künstlichen intelligenz, die unablässig feuersalven in die luft schossen, indem sie die giftigen gase aus der luft fitlerten und verbrannten. die herden hatten sich zwischen ihnen zusammen gekauert und so setzten sie umgeben von den lärmenden ungetümen ihre unablässige suche nach essbarem fort.
als ein paar von ihnen aus der gruppe ausbrachen, um in den zerstörten lebensmittelläden nach nahrung zu suchen, eröffneten die jäger das feuer. ein paar individuen aus der herde brachen zusammen, andere stoben fluchtartig auseinander, die gruppe jedoch setzte den weg fort.
ein paar der jäger stürmten wild um sich schießend auf die maschinen zu, doch fanden die meisten von ihnen einen grausamen feuertod. die luft schien zu kochen. ich schloss mich der gruppe an, die die herden versuchte in einem alten kino zusammen zu treiben und hielt mich von den flammen fern. die aufgabe unseres trupps war es, die unachtsame beute im kino zu umzingeln, zu packen wer nicht schnell genug war und fort von der gruppe zu zerren.

ich griff ein mädchen, dem es nicht gelungen war, anschluss zu den anderen zu wahren und brachte sie zu rob. doch als rob ihr gesicht sah, riss er mir die beute aus der hand und drehte sie brutal zu mir herum indem er sie an den haaren packte. „siehst du das? dieses mädchen ist entstellt! diese beute nehmen wir nicht. wir essen keine entstellten, das risiko ist viel zu hoch!“
jetzt erst erkannte ich, dass das mädchen an der unheilbaren krankheit litt, die es seit dem biologischen krieg gab. ihre gesichtszüge waren verzerrt und ihr leerer ahnungsloser blick erzählte von der geistigen verwirrung, die es ihr unmöglich machte zu erahnen, in welch bedrohlicher situation sie sich noch bis vor kurzem befunden hatte. rob ließ sie gehen. um uns herum die verzweifelten schreie derer, die vertsanden hatten, dass es mit ihnen bald zu ende gehen würde.

trotz all der technischen errungenschaften der letzten jahrhunderte, waren die menschen immer noch abergläubisch geblieben. deshalb war es tabu für die jäger, das fleisch von kranken zu essen, so wie es für die herden tabu war, menschen zu jagen. sie ernährten sich stattdessen von schimmligem reis und anderen vorräten, die sie in den verlassenen städten noch finden konnten.
seit dem einsatz der chemischen waffen wuchsen kaum noch pflanzen auf dem land und die meisten essbaren tierarten waren ausgestorben. viele menschen verhungerten auf der suche nach nahrung, wenn sie nicht an den krankheiten starben, gegen die sich das menschliche immunsystem erst mit der zeit zu verteidigen gelernt hatte. vor vielen jahren hat der hunger ein paar menschen so verzweifelt gemacht, dass sie begonnen hatten, ihresgleichen wie vieh abzuschlachten. ich hatte mich nun bei ihnen eingeschlichen, um ihr verhalten zu studieren.

doch nun, da ich mich mit den jägern tatsächlich mitten unter den herden befand, konnte ich den menschen um mich herum nicht mehr ins gesicht sehen. mein forschungsprojekt hatte sich einem kritischen punkt genähert. die vielen unschuldigen kinder, die eine viel zu leichte beute waren. die emotionslosigkeit mit der sich sowohl jäger, als auch herden ihrem schiksal ergaben. so als hätte es niemals menschlichkeit gegeben auf diesem planeten. so als wären unsere seelen gemeinsam mit den kulturen untergegangen, die der krieg dem erdboden gleich gemacht hat. es gab nicht einmal mehr götter, die ich um vergebung für meine grausamen taten bitten konnte. wir alle kämpften  nur noch darum, weiter zu leben, in einer welt, die wir für uns selbst unbewohnbar gemacht hatten.

(nach einem traum – 9.10.2012)

 

 

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